Wie erreicht man einen guten Sound auf dem Sax ?
Eigentlich eine falsche Frage, denn guter Sound ist Geschmackssache. Jeder Saxophonist klingt anders und auch unter den berühmtesten klingt jeder völlig anders, von Ben Webster zu John Coltrane, von Eddie Harris zu Michael Brecker.
Die bessere Frage ist, wie erlange ich MEINEN Sound, denjenigen, den ich mir wünsche und der am besten zu mir oder meiner Musik passt. Ist es nicht toll, dass es viele Musiker gibt, bei denen man nach einigen wenigen Tönen sofort weiss, um wen es sich handelt?
Es steht in jedem Saxophon-Lehrbuch: Aller Anfang ist die Atmung, also schon mal nichts, was mit dem Instrument zu tun hat. Ich bin immer noch erstaunt von Leuten zu hören, welche in Saxophonstunden gingen und kaum etwas Gescheites zum Thema Atmung und Körperhaltung hörten. Wenn es so ist, dass es kaum solche Lehrer gibt, dann kann ich nur empfehlen, bevor man mit Saxophonspielen beginnt, irgendwelche Atemkurse (in Verbindung mit Joga oder was weiss ich) zu besuchen und sich mit Atem auseinander zu setzen und überhaupt die Anatomie des Atmens empfinden zu können wie beispielsweise die Zwerchfellatmung (spüre ich mein Zwerchfell überhaupt?):
https://de.wikipedia.org/wiki/Bauchatmung
https://www.youtube.com/watch?v=eMVi5h_vstQ
Gute Übungen sind beispielsweise auch tauchen im Schwimmbad oder Kopf unter Wasser Crawl-Schwimmen. Dabei wird besonders darauf geachtet, sehr regelmässig auszuatmen und die Phase der Ausatmung zu verlängern. So erreicht man dann auch spielend mit der Zeit eine ganze Länge von 50 Metern unter Wasser in der Badi. Auch sehr nützlich ist die Übung mit dem Trinkhalm und dem Wasserglas. Man atmet durch den Halm ins gefüllte Wasserglas und versucht dies sehr regelmässig zu tun. Abweichungen sieht und merkt man sofort am Sprudeln im Wasser. Solche Übungen führen zu einem gleichmässigen Ausatmen und der Kontrolle über die Atmung selbst. Nun gibt es ja nicht nur den gleichmässigen Strom von Luft, sondern auch gewollte Abweichungen und spezielle Techniken. Mit solchen Übungen lässt sich auch die Zirkularatmung erlernen, wie hier im Video eines Trompeters: https://www.youtube.com/watch?v=EqNCyRPDctk
Es finden sich heute in Youtube sehr viele interessante Videos und es lohnt sich auch mal solche Videos anderer InstrumentalistInnen oder SängerInnen zu studieren, welche das Atmen in den Vordergrund rücken (z.B. Digeridoo oder Panflöte).
Als nächster Schritt folgen Übungen nur mit dem Mundstück. Solche Übungen empfehlen sich immer wieder zu Beginn des Einspielens, u.a. auch, um ein gutes Blatt zu finden, was sich auch schon ohne Instrument sofort zeigt. Ich hatte als 18-jähriger, als ich in Konstanz während eines Praktikums in Photographie wohnte, zeitweise kein Saxophon dabei und bin jeweils an den See gesessen, nur mit dem Tenor-Mundstück und Blättern dabei, machte meine Übungen, die ich immer noch zwischendurch mache:
Versuche so entspannt wie möglich in das Mundstück zu blasen, die Zähne oben direkt am Mundstück, unten die Lippe so weit wie möglich nach aussen gestülpt (dabei ruhig etwas übertreiben mit der Position, also die Lippen unten kaum über den Zähnen). So blase ich nicht all zu stark einen langen Ton und achte mich zu Beginn weg auf die Gleichmässigkeit des Tons (siehe oben Übung mit dem Röhrchen). Bevor ich nun die Lippenposition ändere, experimentiere ich schon mal mit der Position, ob das Mundstück etwas weiter in den Mund genommen wird oder nur knapp. Dabei bei jeder Position je 4-5 Mal einen 30 Sekunden langen Ton spielen. Ich merke mir dabei die Position, wo ich mich entspannt fühle, wo der Ton schon einigermassen (absolut kein Pressen mit der Lippe!) angenehm klingt. Hier geht es auch darum, die Extreme der möglichen Positionen zu erkunden und selbst Erfahrungen damit zu machen, mit welchen Positionen ich den Ton noch kontrollieren kann, auch wenn er lauter und leiser wird. Aber aufgepasst: Mit mehr Training wird der Spieler den Ton trotzdem in Intonation und Gleichmässigkeit besser kontrollieren können und man sollte sich zu Beginn nicht darauf fixieren, einen zu straffen „Griff“ am Mundstück zu haben, also nicht beissen oder verkrampfen! Es muss sich alles ganz locker anfühlen, auch wenn der Ton dabei noch etwas wie ein hohes Nebelhorn oder eine kranke Ente klingen mag….
Es ist förderlich, eine grosse Flexibilität beim Ansatz zu üben und kreativ vorzugehen, um Varianten ausprobieren zu können und damit auch den eignen Sound zu finden. Man beginnt am Besten nicht mit dem Ansatz nach Lehrbuch, sondern testet selbst möglichst viele Positionen, Druck, Luftstrom etc. aus. Idealerweise nimmt man sich mit einem Mikrophon selbst auf, denn der Sound klingt durch die Schwingungen im Mundraum durch Kiefer und Ohren für den Spieler anders, als für den Zuhörer. Dabei kann man immer kurz einen Kommentar ins Mik abgeben, was man genau verändert beim Ansatz oder beim Luftstrom, mit dieser Änderung dann ein paar lange Töne in diversen lagen spielen und dann die Änderung bzw. den Vergleich beim Abspielen beurteilen.
Und wie weiter oben gesagt: Es gibt nicht DEN Ton und auch nicht DEN Ansatz !
Schaut mal Youtube-Videos völlig verschiedener Saxophonisten und achtet Euch (besonders bei Nahaufnahmen), wie weit das Mundstück in den Mund genommen wird, wie die Lippenstellung ist etc.
Zu früh nehmen Schülerinnen und Schüler (ich gebe schon seit langer Zeit keine Saxophonstunden mehr) das ganze Instrument zur Hand. Besser wäre es, z.B. auch mal den S-Bogen mit dem Mundstück zu verbinden und so weiter zu fahren mit den oben erwähnten Übungen. Das um den Hals gehängte Saxophon mit all den Klappen und Griffen lenkt ab von der richtigen Körperhaltung, von der Atmung und von lockeren und kreativen Ansatzversuchen. Als Resultat geht oft das Blatt kaputt, weil die Saxophon-Lerndenden vorne runter auf das Instrument schauen und dabei an der Schulter das auf dem Mundstück sitzende Blatt verletzen. Allenfalls macht es Sinn, bei den ersten Schritten das Sax auf einem hohen Ständer oder einfach abgestellt auf einer Fläche in der richtigen Höhe zu halten, um locker bleiben zu können und nicht gleich das ganze Gewicht und das eigentlich unergonomische „Ding“ am Hals zu haben. Mehr zur Ergonomie hier ->
Ist das Mundstück ausschlaggebend für den Saxophon-Sound?
Gegenfrage: Würde ein Profi-Golfspieler den Ball nicht massiv besser abschlagen als ich Golf-Anfänger mit einem billigen Standard-Golfschläger, wenn er nicht die ganze Palette an Schlägern dabei hätte? Viele Saxophonisten haben im Laufe der Karriere auch mal das Mundstück geändert. Dabei mag sich auch der Sound etwas ändern, aber er bleibt immer noch erkennbar, falls vorher ein individueller Sound da war. Die Atmung, der eigene Körperbau und die Körperhaltung, Individualitäten besonders im Kieferbereich, der Ansatz und andere Faktoren (allenfalls auch das Instrument) machen da genau so viel aus am Sound. Wichtig ist, dass sich die Spieler wohl fühlen, also keine extreme Kombination zu Beginn mit zu schmalen oder zu weiten Öffnungen oder zu harten Blättern. Es kann durchaus sein, dass sich mit dem Training die Vorlieben ändern und man auf eine andere Kombination geht, oder man will eine andere Musikart auch ein etwas anderer Sound, den man doch etwas mit einem Mundstück beeinflussen kann. Auch hier gilt: experimentieren, kreativ ausprobieren und sich selbst zuhören und aufnehmen. Viele Blasmusikgeschäfte leihen gerne auch mal Mundstücke probehalber aus.
Dexter Gordon, der wohl einer der gewaltigsten, breiten und tiefgehenden Tenorsax-Klänge blies, wurde oft studiert und man findet dutzende Beiträge in Blogs, welche Mundstück/Blatt Kombination er wohl verwendet hatte. Gordon selbst sagte einmal, dass es kaum auf das Mundstück drauf ankomme…..
Saxophonistinnen und Saxophonisten können sich über Blätter ewig unterhalten wie Gitarristen über Pickup, Saiten oder Fusstreter. Es gibt günstigere Produkte, die öfter mal starke Abweichungen in der Qualität innerhalb eines Packs zeigen – muss nicht immer sein. Keine Regel ohne Ausnahme. Ich selbst habe nie Kosten für gute Blätter gescheut und spiele meistens mit Frederick L. Hemke Blättern (von Rico seit 1982 hergestellt Linie, benannt nach einem bekannten klassischen Saxophonisten, welcher mit Rico dafür zusammen arbeitete). Diese Blätter lernte ich ca. 1985 kennen, als ich diverse Marken einfach mal austestete und bin seither dabei geblieben. Ich selbst bin eher faul, wenn ich mal was kenne und ich dabei wohl bin, dann bleibe ich dabei. So spiele ich auch schon seit weit über 20 Jahren auf den selben Saxophonen. In letzter Zeit bin ich mit der Stärke (Nummer) der Blätter etwas runter gegangen, vielleicht weil ich älter werde und nicht mehr ganz so viel Power über Stunden aufbringe. Vor 30 Jahren spielte ich zum Teil noch Nr. 4 auf einem Otto-Link Mundstück mit sehr grosser Öffnung. Das würde ich heute als masochistisch bezeichnen….Es ist aber auch so, dass ich begonnen hatte, jeweils beim Üben weichere Blätter zu benutzen als am Gig. Je weicher, desto schwieriger die Intonation; je mehr Intonationsübungen bei schwierigen Bedingungen, desto mehr Kontrolle. So habe ich mit der Zeit sogar begonnen, an Gigs mit etwas weicheren Blättern zu spielen, was den Ton etwas „singender“ macht mit etwas weniger Luft.
OK, ein guter Ansatz, gute Atmung, qualitativ gute Blätter und viel Training und ein mieses Saxophon kann es dann schlussendlich auch nicht sein, oder? Aber wie oben beim Beispiel mit dem Profi-Golfspieler wage ich zu behaupten, dass die Qualität des Saxophons auf den Klang einen weniger grossen Einfluss hat, als man meint. Dagegen hat es einen grossen Einfluss auf die Ansprache schwieriger Tonbereiche und damit auf den Spass und die Spielfreude der Saxophon-Spielenden. Da gibt es auch kaum eine andere Möglichkeit, als diverse Marken und Typen auszutesten und seine Präferenzen zu finden. Bei mir gab und gibt es nichts anderes als ältere Selmer Saxophone diverser Grössen. Ich würde mich vielleicht schon von anderen „Hörnern“ begeistern lassen können, aber ich habe dafür keine Zeit und bin soweit zufrieden und das ist das Wichtigste. Bevor ich neue Instrumente brauche, habe ich noch Tausende Stunden vor mir, wo ich mich selbst verbessern kann, Tag für Tag.
Man könnte eine ganzes Buch darüber schreiben. Das haben aber andere wie David Liebmann auch schon getan (siehe unter dem Navigationspunkt Saxophonlinks). Ein wichtiger Punkt sind sicher auch die Obertöne und damit die Obertonübungen. Aber dazu schreibe ich bald einmal einen eigenen Blog-Beitrag.
Um den Sound noch stärker zu verbessern wird das Thema singen zu einem zentralen Punkt. Nicht dass man gleich Sänger werden soll, aber ein guter Teil eines guten Sounds auf einem Blasinstrument hat mit singen zu tun, bzw. kann mit Gesangsübungen verbessert werden. Die Luft aus der Lunge wird über den Hals in den Kehlkopf und in den Rachenraum befördert. Das komplexe System von Muskeln in diesen Bereichen ist kaum bewusst zu steuern. Wer kann beispielsweise gleichzeitig atmen und trinken? Da passiert vieles automatisch. Ich versuche z.B. seit langer Zeit den Effekt bewusst nachzuspielen, der passiert, wenn Kohlensäure (nach Bier oder Mineral+) mit einem Rülpser während dem spielen von Tönen hochkommt. Da sinkt plötzlich der Ton um einen Halbton. Versuche dies einmal mit bewusstem Rülpsen während dem Spielen nachzuvollziehen! Die Stellung und die Haltung des Halses und des Kehlkopfs sind enorm wichtig für einen vollen guten Sound. Eine falsche Stellung (z.B. Kiefer zu stark nach unten oder schräg) eine zu gebückte Haltung können den Sound negativ beeinflussen. Dies kann am besten mit dem Singen von Tönen nachvollzogen werden, in dem man lange Töne singt und mit der Stellung variert und sich den Effekt vergewissert. Es gibt dazu Übungen, wo mithilfe des Singens von bestimmten Vokalen (Stellung von Kehlkopf und Zunge) ein breiterer Luftstrom, also auch ein vollerer Ton beim Singen erzeugt werden kann. Man kann ein A singen, welches einem englischen „law“ entspricht, also eine Mischung zwischen A und O, welche ganz tief unten im Rachenraum/Kehlkopf entsteht bis fast zum Brechreiz. Interessant wird es dann. solche Übungen mit dem Sax umzusetzen und sich dabei vorzustellen, als würde man eben diese Silben singen. Dabei stellt der Körper automatisch die Stellung von Stimmbändern/Kehlkopf, Zunge etc. um und man muss sich daher schlussendlich nur die ins Sax gesungenen Vokale merken, um einen gewissen Effekt zu erzielen. Man kann dies einmal so übern, dass tatsächlich ein gesungener Ton entsteht oder dass nur die Vorstellung dieses Tones da ist, aber kein wirklicher Ton im Kehlkopf gesungen wird.
Links mit weiteren Tipps und Erklärungen
- Der Saxophonsound und seine Ähnlichkeit zur menschlichen Stimme
http://hkb-jazz.ch/bathesisbsp/BAThesisMichaelWyss2015.pdf - http://www.sax-and-more.info/saxophontips.html